Vielversprechende Talente im Bereich der elektronischen Musik zu entdecken, ist gar nicht mehr so einfach. Nicht, weil es sie nicht mehr gibt, sondern, weil sie leider zu oft in der Masse von 0815-Produktionen und Chart-Remixen untergehen. Wenn man sich allerdings die Mühe macht, den dichten Jungle aus Tropical-House-Geklimper und Saxophon-Samples hinter sich zu lassen, wird man im Nachwuchsbereich auf beeindruckend vielseitige Talente stoßen. Und das lohnt sich – wie im Fall von Lukas Koch (22) aus Erlangen.
Seine neue EP „Be With You“ ist vor wenigen Tagen auf Amselcom released worden und erntet positive Kritik aus mehreren Ecken der Szene. Und das nicht ohne Grund: Denn neben der Tatsache, dass die Tracks einfach ausgesprochen gut klingen, überzeugen die einzelnen Produktionen von Lukas Koch vor allem durch eine enorme Reife und Professionalität. Da drängt sich umgehend die Frage auf: Welcher junge Mann steckt hinter einem so überzeugenden Werk?
beatverliebt. sprach mit Lukas Koch über seine neue Scheibe, sein Leben abseits der Musik und seine Zukunftspläne.
Hallo Lukas! Das Wochenende naht, was hast Du vor?
Am Samstag beende ich meine Veranstaltungsreihe in einem Erlanger Club nach über dreieinhalb Jahren als DJ und Booker. Ich habe diese Zeit wirklich genossen. Natürlich gab es Höhen und Tiefen, aber der Spaß am Auflegen und an der Musik ist in dieser Zeit auf jeden Fall weiter gewachsen. Ich konnte unzählige DJs aus der Region kennenlernen, habe hunderte mitreißende Sets erleben dürfen und soviele glückliche Gesichter gesehen, dass die nächste Veranstaltungsreihe in einem anderen Club bereits in Planung ist und vermutlich nach der Sommerpause startet.
Springen wir zunächst einmal an den Anfang. Wie kamst Du zur elektronischen Musik?
Meine Schwäche für elektronische Musik hatte ich bereits mit 15 entwickelt. Der Entschluss DJ zu werden, ist bereits bei meinem ersten Besuch eines Clubs gefasst worden. Die Möglichkeit mit der Musik, die man selbst liebt und auswählt, ein Publikum zum Tanzen zu bringen, fand und finde ich derart faszinierend und ansprechend, dass es nach diesem Erlebnis nicht mehr lange gedauert hat, bis ich das erste Mal am Pult stand. Seitdem bin ich als DJ tätig. Wenige Jahre später kam ich dann auch zum Produzieren, was meinen Blick auf die Musik maßgeblich verändert und geprägt hat.
Geprägt hat dich sicher auch Deine musikalische Ausbildung, die bei Dir ja schon in der Schule begonnen hat.
Ja, in der Tat. Acht Jahre habe ich das musische Gymnasium in Erlangen besucht. Dort muss jeder Schüler mindestens ein Instrument erlernen, in meinem Fall war das die Gitarre. Länger als Gitarre spiele ich allerdings Schlagzeug. Flankiert wird der praktische Teil der Musik durch die Musiktheorie im Lehrplan. Kadenzen, Dreiklangsverbindungen, Vorzeichenspielchen, Partituren lesen und analysieren sind nur einige Dinge, die gelehrt wurden. Im Nachhinein sehr praktisch für mich, als Schüler war das aber eher eine Qual…
Alles andere als eine Qual, ist Deine Zusammenarbeit mit Amselcom. Wie kam der Kontakt zum aufstrebenden Berliner Label zustande, auf dem Du jetzt Deine neue EP „Be With You“ veröffentlicht hast?
Über meinen Freund und Kollegen Rafaele Castiglione. Er ist auch ein DJ und Produzent aus Erlangen und arbeitet eng mit Andreas von Amselcom zusammen. Rafaele und ich kennen uns schon sehr lange und wir unterstützen uns schon seit über fünf Jahre musikalisch. Dadurch konnte Rafaele meine musikalische Entwicklung gut beobachten und ich bin ihm sehr dankbar, dass er diese Zusammenarbeit ermöglicht hat.
Rafaele Castiglione hat auch einen der beiden Remixe auf der EP beigesteuert. Der andere ist von DkA. Hast Du die Beiden gefragt, ob sie Deine Tracks auf ihre Art interpretieren möchten?
Das Organisatorische hat in diesem Fall das Label übernommen, aber natürlich bin ich sehr froh, dass DkA und Rafaele Castiglione die Remixe beigesteuert haben. Beide Künstler sind fester Bestandteil der Amselcom Familie und hochgradig talentierte Musiker, von denen ich noch einiges lernen kann. Beide Remixe sind sehr gelungen und runden die EP optimal ab.
Maßgeblich abgerundet wird Deine EP auch von Vokalistin Bilijana Pais, die schon als Background Sängerin für Gloria Gaynor gearbeitet hat. Jetzt singt sie auf deiner EP.
Da war ich wirklich platt! Mit ihr hatte ich zu keinem Zeitpunkt gerechnet. Auch diesen Kontakt hat Amselcom hergestellt. Persönlich getroffen habe ich sie aber leider bis heute nicht. Ich hatte eine Melodie und das Arrangement war soweit auch schon fertig. Daraufhin habe den Track zusammen mit einer Beschreibung der Stimmung, die ich gerne weiterverfolgen würde, ans Label gegeben. Bereits kurze Zeit später bekam ich die Vocals und war sprachlos. Auch an dieser Stelle nochmal ein großen Lob und Dankeschön an Bilijana – sie hat die Stimmung besser eingefangen, als ich es mir hätte erträumen können.
Schaut man in den Infotext auf Deiner Fanpage, fällt einem früher oder später Deine amüsant geschriebene Biografie mit Wortspielen zu Deinem Nachnamen ins Auge. Einfach ein kleiner Gag oder gehst Du auch an eine neue Produktion mit einem bestimmten Rezept heran – etwa wie ein Koch an sein Menü?
Natürlich bin ich bemüht, die Zutaten für meine Musik möglichst selbst zu pflücken – am liebsten im eigenen Garten. Und auch die Herkunft spielt eine wichtige Rolle. Kicks und HiHats sollten keine langen Anfahrtswege zurücklegen müssen. Mir ist es außerdem wichtig, darauf zu achten, dass die Musik saisonal ist. Bestimme Musik schmeckt eben besser zu bestimmten Jahreszeiten. Mein Rezept möchte ich allerdings nicht verraten, da es auch andauernd verfeinert wird, um den perfekten Garpunkt zu erzielen. Die Verbindung meines Namens mit der Biografie hat mir allerdings in der Tat eher als humoristischer Leitfaden gedient, mit 22 Jahren habe ich (musikalisch) ja noch nicht soviel zu erzählen.
Umso mehr zu erzählen hast Du aber sicher zum Titel Deiner EP. „Be With You“ lässt ja durchaus Spekulationen zu. Was ist die Geschichte hinter den einzelnen Tracks?
Es gibt tatsächlich eine Geschichte dahinter. Der Text des ersten Tracks „Be With You“ handelt von der Situation, in der sich sicher schon viele Menschen befanden. Nämlich, dass man mit einer Person zusammen ist, obwohl es nicht mehr passt und eine Trennung eigentlich ratsam wäre. Allerdings wird es durch eine Trennung nicht besser, da einem dieser Partner alles bedeutet und ein Leben ohne diese Person nicht denkbar ist. Man befindet sich in einer unerträglichen Zwickmühle ohne Aussicht auf eine spürbare Verbesserung. Wie man sich in so einer Situation verhalten sollte, kann ich aber leider nicht beantworten. Die Konsequenzen muss jeder selbst tragen. Der zweite Titel „Don’t Let The Blues (…be with you)“ ist eine Art Aufforderung. Nämlich sich eben nicht runterziehen zu lassen – was in der geschilderten Situation wohl unmöglich ist. Und trotzdem: Kopf hoch und nach vorne schauen!
Gab es etwas, was Dich während der Arbeit an den Tracks besonders inspiriert hat?
Entstanden sind diese Tracks bereits vor ca. einem Jahr. Die kreativen Inputs dabei waren sehr vielfältig. Neben allen Erfahrungen, die unbewusst auf die Produktion einwirkten, gab es sicherlich auch bewusste Ansätze, Erlebtes zu verarbeiten. Dazu zählt zweifelsohne die Trennung von meiner damaligen Freundin und die damit verbundenen Gedanken und Emotionen, wie man den Vocals entnehmen kann. Aber bevor das hier zu kitschig wird, verweise ich darauf, dass dieses Thema doch sehr privat ist und es noch unzählige andere Einflüsse gab.
Szenenwechsel – wir stellen Dir ein Auto mit Sprit für genau 443 km vor die Tür. Wohin geht’s?
Da fallen mir spontan zwei Ziele innerhalb dieses Umkreises ein. Eines wäre sicher das Ferienhaus meines besten Freundes in einem Dorf bei München. Es gibt keinen besseren Ort für mich, um zu entspannen. Abseits der Großstadt bietet dieser Ort alles, was es braucht, um die ganze Hektik zu vergessen. Berge, Seen und gute Luft! Die andere Option: Ich würde sehr gerne wieder einige Freunde in der Hauptstadt besuchen, um dort ausgelassen mit ihnen zu feiern.
In der Tat haben wir mit dieser krummen Zahl natürlich auf die Entferung zwischen Erlangen und Berlin anspielen wollen. Wird es Dich auch, wie so viele Musiker und Künstler, irgendwann in die Hauptstadt ziehen?
Darüber nachgedacht habe ich auf jeden Fall schon einmal. Zeitweise waren die Pläne auch schon sehr ausgereift. Das war allerdings vor ca. drei Jahren nach meinem Abitur. Mittlerweile hat sich meine Begeisterung für Berlin allerdings wieder gelegt. Ich besuche dort sehr gerne meine Freunde und bleibe auch gern einige Wochen. Dort zu leben, kann ich mir aktuell aber nicht mehr vorstellen. Musikalisch und kulturell hat diese Stadt viel zu bieten, das ist klar. Der große Hype um Berlin ist aber vorbei, was ich so mitbekomme. Es gibt viele andere schöne Städte, die nicht so kalt und grau sind – hoffentlich ernte ich jetzt keinen Shitstorm (lacht).
Sicher nicht, wenn wir schnell und elegant das Thema wechseln. Was steht als nächstes bei Dir an?
Im Sommer spiele ich noch ein paar OpenAirs bevor es in die Sommerpause geht. Zu Beginn der Clubsaison startet dann meine neue Veranstaltungsreihe in Erlangen. Musikalisch werden noch ein bis zwei melodische Veröffentlichungen kommen, allerdings möchte ich mich in Zukunft bei meinen Produktionen eher auf treibendere Stilrichtungen konzentrieren, also Richtung Techno und Tech-House. Da passt es sehr gut, dass ich grade mit drei Kollegen, darunter auch Rafaele, den Mietvertrag für ein Studio unterschrieben habe, das wir gerade einrichten. Ich bin schon sehr gespannt, was das neue Studio mit mir machen wird und umgekehrt.
Noch ein kleines Gedankenspiel zum Schluss. Bitte beende folgenden Satz „In 10 Jahren…“.
…kann ich hoffentlich meine Rechnungen bezahlen. Ob mit der Musik oder „richtiger“ Arbeit steht noch in den Sternen. Versuchen kann man es ja mal. Vorsichtshalber zögere ich das Ende meines Studium grade soweit wie möglich hinaus (lacht).
Wir drücken die Daumen und danken Dir für das Gespräch!
Danke euch und weiter so!
Das Interview führte: Y. Assion
artwork: hollyform
pics: Rainer Windhorst